Fünf Fragen an ... Wenjing Zhang

Wenjing Zhang (35) kommt aus Shenyang und hat an der Fremdsprachenuniversität in Peking Germanistik studiert. In China unterrichtet sie seit 2006 Deutsch. Jetzt ist sie sechs Monate lang als Gastdozentin am LSI-Sinicum tätig und unterstützt das Dozententeam in der Lehre und Lehrmaterialentwicklung. Was sie an Deutschland überrascht hat und wie die Deutschen ihr gute Laune bereiten, erzählt sie in unserem Interview.

Warum sind Sie nach Deutschland gekommen?

Ich werde an der Fremdsprachenuniversität in Peking in der Fachrichtung Translationswissenschaft promovieren. Vorher habe ich mir die Zeit genommen, ins Ausland zu gehen, um tiefer in die deutsche Sprache einzutauchen. Das ist mein erster längerer Aufenthalt in Deutschland. Hier kann ich das, was ich im Studium gelernt habe, richtig erleben und anwenden. Vor zehn Jahren war ich bereits einmal in Deutschland. Da habe ich durch ein Stipendium vom Goethe-Institut einen zweiwöchigen Sprachkurs in Göttingen machen können. In Zukunft möchte einmal im Jahr für ein paar Wochen nach Deutschland kommen, um meine Sprachkenntnisse aufzufrischen. Das ist als Deutschlehrerin sehr wichtig.

Was interessiert Sie an der deutschen Sprache?

Es macht mir großen Spaß, Fremdsprachen zu lernen. In der Schule habe ich Englisch als erste Fremdsprache gelernt. Deutsch war mir damals noch ganz fremd und gerade diese Fremdheit und Andersartigkeit, verglichen mit dem Chinesischen, waren es, die mich interessiert haben. Bei uns sagt man, dass man durch eine Sprache Zugang zu einer anderen Welt bekommt. Die deutsche Sprache ermöglicht es mir, die deutsche Kultur und die Menschen, die in Deutschland leben, kennenzulernen. In China sagt man auch: Man lernt, solange man lebt. Und Deutsch ist eine so komplexe und schwierige Sprache – man darf nie aufhören zu lernen. Das macht die Sprache für mich persönlich so attraktiv.

Was sind für Sie die größten Hürden beim Deutschlernen und –lehren?

Die deutsche Grammatik ist noch viel schwieriger, als die englische. Vor allem mit den Artikeln hatte ich am Anfang Probleme. Man muss einfach viel auswendig lernen, da es nicht für alles Regeln gibt. Deutschlernen ist eine Fleißarbeit. Die Aussprache hingegen ist gar nicht so schwer, ich musste nur das „R“ lernen. Hier am LSI muss ich nun zum ersten Mal Deutschen Chinesisch beibringen, das ist natürlich anders, als Chinesen in der deutschen Sprache zu unterrichten. Die Lehrwerke unterscheiden sich, man unterrichtet hier auf der Grundlage der deutschen Grammatik. Daran werde ich mich aber sicher schnell gewöhnen.

Was unterscheidet Bochum und Ihre Heimat auf den ersten Blick?

Ich bin an einem Sonntag in Düsseldorf angekommen. Sonntags ist in den deutschen Städten wirklich gar nichts los. Alle Geschäfte haben geschlossen. Das wusste ich zwar schon aus dem Deutschunterricht, aber es war noch seltsamer, als ich es mir vorgestellt hatte. In China ist am Wochenende – auch am Sonntag – auf den Straßen und in den Kaufhäusern am meisten los. Es wird eingekauft und vor allem Familien mit kleineren Kindern verbringen den Sonntag gern in einem Kaufhaus. Dort ist es hell beleuchtet und Eltern empfinden es als sicher für ihre Kinder, sie auf den dort extra eingerichteten Spielplätzen spielen zu lassen. Es gibt draußen nur wenige Möglichkeiten für Kinder, herumzurennen und zu spielen, da es an Grünflächen fehlt.

Welcher kulturelle Unterschied ist für Sie prägend?

Die Deutschen grüßen sich auf der Straße, wenn man aneinander vorbeigeht. Obwohl man sich gar nicht kennt. Das kenne ich aus China nicht. Dort schaut man fremde Leute nicht an, und wenn doch, dann ist das Gesicht ausdruckslos. Das Grüßen von Fremden hat mich sehr überrascht und ich wusste zunächst nicht, wie ich damit umgehen sollte. Aber ich finde, dass das eine schöne Angewohnheit ist. Man bekommt etwas von einem Fremden geschenkt, ein Lächeln, über das man sich freuen kann. Ich bin neu hier in Deutschland und habe noch nicht viele Freunde. Wenn ich alleine unterwegs bin und mich jemand grüßt, bekomme ich gute Laune.