Restaurierung des Qianyuan

Chinesische Gartenkunst mitten in Bochum

Seit über 30 Jahren gibt es an der Ruhr-Universität Bochum einen besonderen Ort: den chinesischen Garten "Qianyuan" – ein Symbol der Freundschaft zwischen der Tongji-Universität Shanghai und der RUB. Inzwischen ist der Garten in die Jahre gekommen. Seit Juni läuft die dringend notwendige Sanierung. Ein Team von vier Experten aus China ist für insgesamt zwei Monate nach Bochum gereist, um die fachgerechte Umsetzung zu gewährleisten. Untergebracht sind sie im Gästehaus des Landesspracheninstituts (LSI), das mit seinen Chinesisch-Intensivkursen Sprachkenntnisse und interkulturelles Verständnis für Studierende, Berufstätige und Sprachinteressierte aus dem gesamten deutschsprachigen Raum vermittelt. Hu Xiaojun, Leiter des Sanierungsteams, berichtet im Gespräch über die Besonderheiten chinesischer Gärten, die Herausforderungen bei der Restaurierung und die kulturelle Bedeutung chinesischer Gartenbaukunst. 

Hu Xiaojun und sein Team von Gartenbauexperten

Chinesische Gartenbauexperten: Hu Xiaojun, Gu Tianming, Jin Zhongming und Cheng Jinhuan (v. l. n. r.) auf der Baustelle des chinesischen Gartens der RUB. Foto: LSI

Welche Besonderheiten zeichnen einen traditionellen chinesischen Garten aus – und wie spiegeln sich diese in Bochum wider? 

Chinesische Gärten nutzen gezielt natürliche Gegebenheiten wie Wasserläufe und Geländeformen. Auch Fengshui-Prinzipien spielen eine Rolle, zum Beispiel die Ausrichtung mit dem Rücken zum Berg und dem Blick zum Wasser. Der Qianyuan in Bochum ist in seiner Gestaltung sehr frei, anders als die strengen Symmetrien von Tempeln oder Palästen. Weiße Mauern, schwarze Ziegel, geschwungene Wege, Pavillons und Brücken fügen sich zu einem harmonischen Ganzen. Die Gebäude dienen dabei nicht nur praktischen Zwecken, sondern sind zugleich Teil des Landschaftserlebnisses im botanischen Garten der Ruhr-Universität. Was genau wird bei der Sanierung des Gartens in Bochum gemacht? Die Hauptaufgaben sind die Reinigung des bestehenden Dachs, die Reparatur von Dachfirst und beschädigten Ziegeln sowie die Instandsetzung oder Erneuerung von Holzkonstruktionen. Außerdem stimmen wir uns mit deutschen Architekten ab, um die Pflege und den Erhalt chinesischer Gärten in Deutschland langfristig sicherzustellen. 

Gibt es Regeln, die Sie bei der Sanierung beachten müssen? 

Ja, wir orientieren uns an den traditionellen Gestaltungsprinzipien. Zum Beispiel daran, wie im Stil der Ming-Dynastie durch Pflanzen, Wasser und Architektur eine schlichte, naturnahe Atmosphäre geschaffen wird. Gleichzeitig fließen moderne Anforderungen ein, gerade bei Materialien und angesichts der Bauvorschriften in Deutschland. Welche Materialien werden verwendet? Wir greifen auf bereits vorhandene Dachziegel aus dem Bestand zurück und nutzen lokales Holz. Das spart Kosten, schont Ressourcen und verkürzt die Bauzeit. Natürlich testen wir die Materialien vorab, um sicherzustellen, dass sie zum Gesamtbild des Gartens passen. 

Wo liegen die größten Herausforderungen bei so einem Projekt? 

Die Kunst besteht darin, traditionelle chinesische Bauweisen mit den örtlichen Vorgaben in Deutschland in Einklang zu bringen. Das betrifft sowohl Materialien als auch technische Abläufe. 

Welche kulturelle Bedeutung haben Gärten in China? 

Gärten verkörpern das Ideal des harmonischen Zusammenlebens von Mensch und Natur. Sie greifen Gedanken aus Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus auf – etwa die Rückbesinnung auf das Wesentliche, Leben im Einklang mit der Natur oder das Streben nach innerer Ruhe. 

Restaurierung des chinesischen Gartens der Ruhr-Universität Bochum. Foto:LSI
Restaurierung des chinesischen Gartens der Ruhr-Universität Bochum. Foto:LSI
Restaurierung des chinesischen Gartens der Ruhr-Universität Bochum. Foto:LSI
Restaurierung des chinesischen Gartens der Ruhr-Universität Bochum. Foto:LSI

Welche kulturelle Bedeutung haben Gärten in China? 

Gärten verkörpern das Ideal des harmonischen Zusammenlebens von Mensch und Natur. Sie greifen Gedanken aus Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus auf – etwa die Rückbesinnung auf das Wesentliche, Leben im Einklang mit der Natur oder das Streben nach innerer Ruhe. 

Ist der Garten in Bochum an ein berühmtes Vorbild angelehnt? 

Ja, er orientiert sich an den klassischen Gärten Südchinas. Die Gestaltung folgt dabei der Erzählung Aufzeichnungen vom Pfirsichblütenquell des Dichters Tao Yuanming alias Tao Qian. Der Name Qianyuan (Garten des (Tao) Qian) ist eine Hommage an diesen Dichter. Ziel ist es, mitten im urbanen Raum einen Ort der Ruhe und des Rückzugs zu schaffen. 

Wie wird man eigentlich Gartengestalter in China? 

Die meisten durchlaufen ein Hochschulstudium mit Fokus auf Architektur, Landschafts- und Gartenbau. Dabei spielen das Wissen über chinesische Geschichte, Kultur und Philosophie eine wichtige Rolle. 

Welchen Einfluss haben Literatur, Kunst und Philosophie auf die Gartengestaltung? 

Sehr großen. Die verschlungenen Wege, weiten Blickachsen und die geschickte Einbindung von Wasser und Hügeln sind inspiriert von der chinesischen Landschaftsmalerei und Dichtung. Auch ethische Konzepte wie Harmonie oder Bescheidenheit prägen die Gestaltung. 

Gibt es sprachliche Elemente, die in der Gartengestaltung sichtbar werden? 

Ja, viele Gärten oder Bauwerke tragen Namen mit literarischem oder symbolischem Hintergrund. Der Garten des bescheidenen Beamten in Suzhou oder auch der "Qianyuan" in Bochum sind Beispiele dafür. 

Welche chinesischen Begriffe oder Redewendungen sollte man kennen, wenn man sich für Gärten oder Natur interessiert?

Es gibt zahlreiche poetische Begriffe, etwa für üppige Vegetation, malerische Landschaften oder die besondere Atmosphäre in einem Garten. Sie alle drücken die tiefe Verbindung der chinesischen Kultur zur Natur aus. 

Was möchten Sie den Besuchern des Bochumer Gartens mit auf den Weg geben? 

Ich lade alle ein, sich Zeit für diesen besonderen Ort zu nehmen. Wer mag, kann vorab die Aufzeichnungen vom Pfirsichblütenquell lesen – das eröffnet einen tieferen Zugang zum Garten und zu der Gedankenwelt seines Namensgebers Tao Yuanming. Lassen Sie den Alltag hinter sich und entdecken Sie das kleine Paradies mitten in Bochum. 

 

Interview: Jörg Siegeler

Übersetzung: Tobias Wilke

Das Gespräch wurde für die Veröffentlichung redaktionell bearbeitet und gekürzt.