Eigentore vermeiden

Japan - Kein Stäbchenmissbrauch im Stadion

Ein Stadionbesuch ist für Japaner zumeist ein echtes Familienevent, wobei Essen ein elementarer Bestandteil des Spektakels zu sein scheint. Man trifft sich frühzeitig vor Ort, schleppt massenhaft Nahrungsmittel an und deckt sich zudem an den zahlreichen Essständen reichlich ein. Sollten Sie das Glück haben, dieses Stadionerlebnis einmal mit Japanern teilen zu können, ist es wichtig, dass Sie beim Herausnehmen von Essen aus einer gemeinsamen Schüssel unbedingt Ihre Essstäbchen umdrehen und mit den Stäbchen niemals auf Personen zeigen. Das Aufräumen des Sitz- oder Stehplatzes ist vor dem Verlassen des Stadions für Japaner ein absolutes Muss! Im Fußballstadion geht es bei Japanern gesittet zu – auf diesem Gebiet sind die japanischen Fußballer und ihre Fans im weltweiten Vergleich unschlagbar! Die gegnerische Mannschaft wird stets mit Respekt behandelt und nie mit Anti-Fangesängen oder Trash-Talk gedisst. Allerhöchstens versuchen die Fans, die gegnerische Mannschaft durch gezielten Lärm aus dem Konzept zu bringen, wenn diese sich dem Tor nähert.
Bei der WM feuern die japanischen Fans ihre Mannschaft mit „Nippon, Nippon“-Sprechchören und Trommelschlägen an. Sie schwenken Fahnen, sind häufig ideenreich kostümiert und jubeln frenetisch bei jeder Torchance ihrer Elf – da scheint von der bekannten japanischen Zurückhaltung nicht mehr viel übrig zu sein. Aber bei allem Enthusiasmus bleibt der japanische 12. Mann doch immer friedlich und fällt nie durch Krawalle unangenehm auf. Trotz aller Fortschritte in den letzten Jahrzehnten ist Japan noch eine verhältnismäßig junge Profi-Fußballnation, die sich zwar seit 1998 zum fünften Mal in Folge für die Fußball-Weltmeisterschaft qualifizieren konnte, aber dennoch einen großen Rückstand auf die ganz Großen der Welt aufweist, was sich auch in der aktuellen FIFA-Rangliste widerspiegelt: hier steht Japan an 47. Stelle. Zum Vergleich: Deutschland rangiert derzeit hinter Spanien an Position 2. Da bleibt nur zu hoffen, dass der Funke des WM-Maskottchens Pikachû (pika = lautmalerisches Wort für das Aufleuchten eines gleißenden elektrischen Funkens) überspringt und dem japanischen Team zum Erfolg verhelfen kann! 勝った!(Katta! Wir haben gewonnen!)

Korea - You'll never walk alone

Deutschland heißt auf Koreanisch „Dogil“. Das Wort bedeutet „einzeln“ und „Mußestunden verbringen“. Möglicherweise hat man ja früher die deutschen Dichter und Denker bewundert, die in einsamer Abgeschiedenheit viel Zeit mit schöner Literatur verbringen konnten, ein Ideal auch im traditionellen Korea. Im modernen Korea hingegen sind wir Deutsche verschrien dafür, eigensinnige Individualisten zu sein, die sich nur schwer und widerwillig in Gruppen integrieren lassen. In Korea ist das unvorstellbar! Aus koreanischer Sicht gibt es eigentlich nur eine Erklärung, wenn man auf einen Menschen trifft, der alleine reist, isst, ins Kino geht: Der Arme hat einfach noch keine Freunde in Korea.
Wer jemals versucht hat, in Korea etwas alleine zu unternehmen, weiß, wie schnell man in netter Gesellschaft ist. Lassen Sie sich unbedingt darauf ein. Wenn Sie zur WM in Korea sind, sollten Sie unbedingt als „red devil“ oder „Taeguk warrior“ verkleidet beim typisch koreanischen Public Viewing mitmachen, koreanische Fangesänge wie „dae-han-min-guk“ mitgrölen und vor allem die Spieler der koreanischen Nationalmannschaft anfeuern, die aktuell in der Bundesliga spielen: Son Heung-min (Bayer Leverkusen), Koo Ja-cheol und Park Joo-ho (Mainz), Hong Jeong-ho (Augsburg) und Ji Dong-won (vor der WM Augsburg, nach der WM Borussia Dortmund). Koreanische Fußballpartys sind lang, laut und heftig. Und anschließend räumen alle gemeinsam den Müll zusammen und stellen die Säcke an den Straßenrand.

 

Russland - Keine Scheu vor Nähe

Eine herzliche Umarmung unter Spielern oder Fans gehört zu einem Fußballspiel einfach dazu. Was bei uns in Deutschland nur zu besonderen Anlässen zu beobachten ist, ist in Russland gang und gäbe. Die körperliche Distanz zwischen Menschen ist dort grundsätzlich kleiner als bei uns im Westen. Körperliche Berührungen werden nicht vermieden, sondern eher gesucht. Herzliche Umarmungen und Küsse sind unter Freunden und Bekannten selbstverständlich. Auch das bei uns gängige Händeschütteln wird bei den Russen gerne praktiziert. Wenn Sie schon mal in Russland waren, wird Ihnen vielleicht aufgefallen sein, dass beim Händeschütteln die russischen Frauen generell zurückhaltender sind. Der Händedruck ist in Russland nämlich reine Männersache. Daher gilt: Geben Sie einer Dame nur die Hand, wenn sie Ihnen als erste die Hand reicht. Wie das so mit Traditionen ist, nagt der Zahn der Zeit auch an diesem Dogma – zumindest im russischen Businessalltag: Dort nimmt man es mit dieser Gewohnheit nicht mehr so ernst.

 

China - Das Taschentuch bleibt in der Hosentasche

Welche Fettnäpfchen warten in China auf Sie? Wenn man als Deutscher seine guten Manieren beweisen möchte, was sollte man in China tun ‒ und was vermeiden? Um es gleich zu sagen: Trauen Sie keinem Ratgeber, der Ihnen immer und überall gültige Regeln verspricht. China ist über 26-mal so groß wie Deutschland und erstreckt sich über eine Distanz in etwa von Skan­di­navien bis zur italienischen Stiefelspitze  ‒ benimmt sich ein Norweger genauso wie ein Si­zilianer?
Wenn Sie sich in China auf eine Weise benehmen, die man auch in Deutsch­land als gutes Benehmen auffassen würde, liegen Sie schon mal nicht völlig falsch. Seien Sie im Zweifelsfall lieber ein bisschen zu höflich, zu formell, als zu salopp, zu leger, zu locker, denn auch in China gilt der Grundsatz: lǐ duō bú jiàn guài 礼多不见怪 , in etwa: „ein bisschen zu­viel an Höflichkeit wird einem nie krumm genommen“. So wie viele Chinesen trotz aller Er­ziehungskampagnen der Regierung nach wie vor sehr unappetitlich spucken, so ekelhaft emp­findet der Chinese unser lautstarkes Naseputzen und vor allem die Tatsache, dass wir den Dreck aus der Nase auf einem Stofftüchlein sammelnd in der Hosentasche mit uns führen. Es ist vieles nur eine Frage der Perspektive. Dass wir Europäer oft nicht richtig mit Ess­stäb­chen umgehen können, ist ein massives Kul­tur­defizit, an das sich die Chinesen von uns aber schon gewöhnt haben. Aber: Nehmen Sie auch in Ihrer größ­ten Verzweiflung die beiden Ess­stäbchen nicht in Ihre beiden Hände, dann ist es doch noch besser, um eine Gabel zu bitten ...

 

Arabische Welt - nicht persönlich nehmen

Auch in arabischen Fußballstadien geben die Mannschaften alles, um das Match zu gewinnen. Sportliche Auseinandersetzungen sind dabei manchmal nicht zu vermeiden. Aber wie laufen zwischenmenschliche Konflikte außerhalb der Stadien ab? Wer in arabischen Ländern unterwegs war, hat vielleicht schon einmal auf der Straße beobachtet, wie ein Streit zwischen zwei Personen ausbrach. Die Reaktion der Umstehenden ist dann nicht indigniertes Wegsehen. Vielmehr geht man dazwischen und versucht, die beiden Streitenden zu trennen. Nicht, dass der Streit damit beendet wäre, aber beide Parteien haben die Gelegenheit, voll ihre Wut auszusprechen, ohne dass es direkt den Gegner träfe. Und den Vermittler betrifft es ja nicht persönlich. Er setzt sich mit seinem Ansehen dafür ein, dass die Streitenden sich beruhigen, spielt den Prellbock und vermittelt so – yatawassat -  zwischen den Streitenden. Keine Sorge, als Ausländer erwartet niemand von Ihnen, diese Mittlerrolle zu übernehmen. Halten Sie sich ruhig zurück.
Auch bei Ehestreitigkeiten schalten sich in arabischen Ländern häufig Vermittler ein. So zieht sich zum Beispiel eine Frau bei Meinungsverschiedenheiten in das Haus ihrer Eltern zurück.  „Sie geht zürnen.“ Ihre Eltern können auf sie einwirken, doch wieder zur Vernunft zu kommen, doch sie können sie auch unterstützen, wenn der Ehemann zusammen mit Vermittlern bei ihnen erscheint, um seine Frau zurückzuholen. Und den Vermittlern zuliebe, den Eltern zuliebe ist es auch möglich, Kompromisse zu schließen.
War es in traditionellen dörflichen Gemeinschaften in Ägypten schon immer üblich, dass man sich etwa  bei Streitigkeiten um Land oder zur Beendung von Blutrache dem Richterspruch  eines Beduinenrichters unterwarf, so greift man heute auch in anderen Kontexten wieder verstärkt auf diese ritualisierten Streitschlichtungen (magalis 3urfiyya) zurück, wenn z.B. Konflikte  zwischen unterschiedlichen Religionsgruppen aufflammen. Unumstritten ist diese traditionelle Art der Streitschlichtung allerdings nicht, manch einer sieht es durchaus kritisch, dass man Konflikte außerhalb des gesetzlichen Rahmens beilegt.

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