Gesten weltweit

 

Man kann nicht nicht kommunizieren. Das wusste schon Paul Watzlawick, Philosoph und Kommunikationswissenschaftler aus Österreich. Mit Mimik und Gestik senden wir Signale aus, die verbale Kommunikation unterstützen oder gar ersetzen können. Auch bei der wortlosen Kommunikation gilt: Körpersprache ist nicht universell und will gelernt sein. Wenn Sie also in China der Durst überfällt und Sie für sich und Ihre Begleitung in einer Bar mit ausgestrecktem Daumen und Zeigefinger Bier bestellen, können Sie unter Umständen eine feucht-fröhliche Überraschung erleben. Während uns ein deutscher Kellner zwei Bier kredenzen würde, können Sie mit dieser Zweifingergeste in China fast eine Fußballmannschaft versorgen. Serviert werden Ihnen nämlich 8 Getränke. Die Erklärung ist simpel. Der ausgestreckte Zeige- und Mittelfinger steht dort nämlich für die Zahl Acht.

Nehmen wir weitere Handzeichen unter die Lupe:  

Gekreuzte Finger

Gekreuzte Finger haben in China nichts mit dem Nichteinhalten eines Versprechens zu tun. Diese Geste symbolisiert lediglich die Zahl 10.  Und dafür haben die Chinesen gleich vier verschiedene Handzeichen in petto: Handfläche auf Brusthöhe halten, Finger durchstrecken und Handfläche nach vorne drehen. Das Gleiche gilt für die Faust. Auf Brusthöhe halten und um 180 Grad drehen. Die wohl gängigste Geste für die Zahl Zehn ist aber, den Zeigefinger der linken und rechten Hand zu kreuzen. In Russland hat man mit gekreuzten Fingern früher seine Aufrichtigkeit beteuert. Heute kennt diese Bedeutung kaum ein Russe mehr. Viel mehr wünschen sich Russen mit dieser Geste Glück und gutes Gelingen.  

Victory-Zeichen

Diese Geste ist wahrscheinlich eine der globalsten Handzeichen. Ob in Russland, im arabischen Raum oder in weiten Teilen Asiens. Die gespreizten Finger werden fast überall verstanden. Japans Generation Social Media formt fast schon automatisch ein V mit Zeige- und Mittelfinger, wenn sie fotografiert wird. Dazu hört man dann wie vielerorts ein lang gezogenes "cheese" oder „peace“. Obwohl oft als Peace-Zeichen bezeichnet, handelt es sich dabei eigentlich um das so genannte Victory-Zeichen, welches im Zweiten Weltkrieg vom britischen Premierminister Winston Churchill geprägt wurde. Angeblich sollen sich nach dem Krieg die im besiegten Japan stationierten US-Soldaten häufig gegenseitig fotografiert haben und dabei das Victory-Zeichen gemacht haben. Inspiriert von den Truppen, haben die Japaner dieses Handzeichen für sich übernommen.  

Faust

Während in Deutschland die geballte Faust ein in der Arbeiterbewegung üblicher, Solidarität und Kampfbereitschaft signalisierender Gruß war, wird sie heutzutage im alltäglichen Gebrauch vornehmlich als Drohgebärde interpretiert. Im asiatischen Raum dagegen zeigt eine Faust schlichtweg die Zahl 5 an. In der Regel liegt dabei – anders als bei der geballten Faust – der Daumen unter den anderen vier Fingern. Wenn Japaner mit „ganbatte (kudasai)“ andere zum Durchhalten anspornen, Leistung anerkennen und echte Anteilnahme signalisieren möchten („Halt durch!“, „Mach weiter so!“), ist die Faust übrigens auch eine sprachbegleitende Geste dafür. Im arabischen Raum zeigen Sie mit Ihrer Faust (mit dem Handrücken nach oben) Ihrem Gegenüber, dass Sie ihn für einen Geizhals halten. Achtung Fettnäpfchen: Bewegen Sie die geballte Faust auf der Höhe Ihres Brustkorbes allerdings nach vorne und nach hinten, begehen Sie einen groben Fauxpas. Es sei denn, Sie beabsichtigen, eine Frau auf eine extrem obszöne und herablassende Art und Weise zu beleidigen. In Russland ähnelt die so genannte Feigenhand auf den ersten Blick einer Faust. Allerdings wird bei dieser Faustvariante der Daumen zwischen Zeigefinger und Mittelfinger gestreckt. Mit dieser als ordinär geltenden Geste signalisieren Sie Ihre kategorische Ablehnung zu etwas und geben dem Gesprächspartner zu verstehen, dass dessen Vorhaben scheitern wird. Auch hier gilt: Vorsicht beim Gebrauch!

Händeschütteln

Ein absolut selbstverständliches Begrüßungsritual im Westen. Auch in weiten Teilen Asiens ist das Händeschütteln – insbesondere in der Geschäftswelt– mittlerweile verbreitet. Vor allem junge Japaner kombinieren im Umgang mit westlichen Ausländern immer häufiger beide Kulturen miteinander: Sie verbeugen sich und schütteln gleichzeitig die Hände. Aus deutscher Sicht werden Sie das Händeschütteln mit einem Chinesen, Japaner oder Koreaner sehr oft als schlaff empfinden. Aus asiatischer Sicht dagegen ist ein schlabberiger Händedruck nicht unentschlossen oder gar unmännlich, sondern signalisiert eine zu­rückhaltende, höfliche und unaufdringliche Haltung. In Russland gilt das Händeschütteln unter Männern als selbstverständlich. Dagegen sollten Sie bei der Begrüßung einer Frau darauf achten, dass Ihre Gesprächspartnerin Ihnen zuerst die Hand entgegenstreckt. Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. Tut sie es nicht, belassen Sie es einfach bei der verbalen Begrüßung und/oder einem Kopfnicken. Im Geschäftsleben ist man bei diesem Begrüßungsritual weniger traditionell. Wenn Sie allerdings sicherstellen möchten, sich angemessen zu verhalten, überlassen Sie auch hier der Dame die Initiative. Im arabischen Raum ist es ähnlich: Warten Sie darauf, dass Ihnen die Dame die Hand entgegenstreckt. Tut sie das nicht, legen Sie als Begrüßungsgeste einfach die eigene Hand auf das Herz. In den Golf-Staaten reichen sich dagegen nur gleiche Geschlechter die Hand.  

Augenkontakt

Und da wir schon mal bei der Begrüßung sind: Vermeiden Sie in China  und Japan direkten Augenkontakt zu hierarchisch höhergestellten Gesprächspartnern. Andernfalls können Sie schnell als aufdringlich, frech oder gar aggressiv gelten. Das Vermeiden des Augenkontaktes ist also kein Indiz für Unehrlichkeit, für ein ausweichendes Verhalten oder für einen schwachen Charakter – ganz im Gegenteil. Ähnlich verhält es sich im arabischen Raum. Als Zeichen des Respekts ist es in der arabischen Welt üblich, sich nicht direkt in die Augen zu schauen. Das gilt besonders bei hierarchisch höhergestellten und andersgeschlechtlichen Personen. Dagegen gilt direkter Blickkontakt bei einem Gespräch in Russland als völlig normal. Am Blickkontakt bemisst sich nämlich die emotionale Intensität und die Aufrichtigkeit des Gesprächspartners. Dennoch gilt ein Anstarren auch in Russland als ungehörig. Ein Blick am Gesprächspartner vorbei wird dagegen als schüchtern, gehemmt und unaufrichtig gewertet.

Grafik: iStock (VICTOR)