Russisch und Chinesisch

LSI führt Diplomatenkurse in Riga und Taipeh durch

Das Landesspracheninstitut (LSI) in Bochum, das sich auf die Vermittlung sprachlicher und kultureller Kompetenz für die internationale Zusammenarbeit zwischen Ost und West spezialisiert hat, ist seit langem ein bewährter Kooperationspartner des Auswärtigen Amts. Für Diplomat:innen sind Sprachkenntnisse auf höchstem Niveau unabdingbar. Das Verstehen der Absichten und Ziele der Gegenseite und der Versuch, zu politischen und humanitären Fragen im Gespräch zu bleiben, erfordert ein hohes Maß an kommunikativem Geschick, sprachlichem Einfühlungsvermögen und ein tiefes Verständnis für die interkulturellen Aspekte der Kommunikation.

 

Französische und deutsche Diplomat:innen im Chinesisch-Intensivkurs in Taipeh

Französische und deutsche Diplomat:innen im Chinesisch-Intensivkurs in Taipeh

 

Sowohl das französische Außenministerium (Ministère de l’Europe et des Affaires étrangères) als auch das deutsche Auswärtige Amt bieten deshalb regelmäßig umfangreiche sprachliche Fortbildungen für ihre Mitarbeiter:innen an. Angesichts der politischen Entwicklungen in Osteuropa und Asien sind exzellente Kenntnisse des Russischen und des Chinesischen heute wichtiger denn je. Zeit für ein intensives Sprachtraining in einem passenden Umfeld.

Russisch in Riga

Anfang Juni in Riga. Das Klima ist mild und die im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen kleine lettische Hauptstadt mit gut 600.000 Einwohnern zeigt sich von ihrer besten Seite. Mit seiner gut erhaltenen Altstadt ist Riga ein beliebtes Reiseziel. Die Stadt hat mit etwa 40 % einen großen russischen Bevölkerungsanteil - nicht unproblematisch angesichts der geografischen Nähe zu Russland. Immer wieder werden die kleinen Staaten des Baltikums, bis 1990 Teil der Sowjetunion, verbal aus Moskau bedroht. Die Realität vor Ort ist bunter und vielfältiger, als es die Zahlen hergeben. So hat sich ein nicht unerheblicher Teil der russischen Opposition in Riga versammelt. Regierungskritische Medien, die ihre Arbeit in Russland nach Kriegsbeginn einstellen mussten, haben Lettland als Exil gewählt. Auf der Straße ist Russisch auch im Alltag präsent. Ein guter Ort also, um vorhandene Russischkenntnisse in einem intensiven, zweiwöchigen Sprachtraining zu festigen und weiter auszubauen. 

Angereist sind eine deutsche und drei französische DiplomatInnen. Der lokale Kooperationspartner, die Sprachschule Liden & Denz, ist zu Kriegsbeginn aus St. Petersburg übergesiedelt. Das Sprachtraining findet vormittags in den modernen Kursräumen der Sprachschule statt und wird am Nachmittag durch ein vielfältiges Kultur- und Besuchsprogramm ergänzt. Mit ihren Vorkenntnissen auf B2-Niveau haben die Teilnehmenden kein Problem, untereinander und mit Gesprächspartnern vor Ort auf Russisch zu kommunizieren. Für Kurs- und Fachbereichsleiter Leo Weschmann vom Russicum des LSI ist es die letzte Station vor seiner Pensionierung Ende des Monats. Gemeinsam mit seinem Team in Bochum hat er das Lehrmaterial vorbereitet, mit dem vor allem der souveräne Umgang mit publizistischer Sprache auf hohem Niveau geübt wird. Trainiert werden Lesekompetenz, Hörverständnis, freie Rede und Debatte zu einer großen Bandbreite aktueller Themen anhand von russischsprachigen Originalquellen. Behandelt werden Russlands Auftritte auf der internationalen politischen Bühne, Wirtschaftspolitik und Sanktionen, Mechanismen der russischen Propaganda, das Verhältnis Russlands zu den baltische Staaten, die russische Kultur in Kriegszeiten und nicht zuletzt: die Zukunft Russlands nach Putin. 

Chinesisch in Taipeh

Luftlinie 8.126 km von Riga entfernt liegt Taipeh. Hier ist Tobias Wilke, Dozent für Chinesisch am Sinicum des LSI, im Auftrag des französischen und des deutschen Außenministeriums im Einsatz. Seine Kursgruppe, bestehend aus fünf französischen und vier deutschen DiplomatInnen, ist für zwei Wochen an der renommierten Tamkang-Universität zu Gast. Kommuniziert wird innerhalb und außerhalb des Unterrichts auf Chinesisch. Ziel des Kurses, wie auch des zeitgleich laufenden Kurses in Riga, ist nicht nur das Sprachtraining auf höchstem Niveau, sondern auch die Förderung des Netzwerkens zwischen den französischen und deutschen Teilnehmenden.

Die "Republik China", so die offizielle Bezeichnung, behauptet seit 1949 einen Autonomiestatus, der von der Führung der Volksrepublik in Peking immer wieder in Frage gestellt wird. Taiwan stand lange unter autokratischer Herrschaft, hat sich jedoch seit den 1980er Jahren zu einer gefestigten Demokratie entwickelt. Sprachlich und kulturell gibt es große Ähnlichkeiten zwischen Festlandchina und Taiwan – mit einer wichtigen Ausnahme: Auf Taiwan werden noch die traditionellen Langzeichen geschrieben, während die VR in den 1950er Jahren auf ein System vereinfachter Kurzzeichen umgestellt hat.

Im Kurs geht es vorrangig um politische Themen, insbesondere um das schwierige Verhältnis zwischen Insel und Festland. Genutzt werden Original-Medien, die die politischen Standpunkte beider Seiten verdeutlichen. Hinzu kommen Quellen, die die Entwicklungen aus westlicher Sicht darstellen und einordnen. In den anschließenden Diskussionen trainieren die Teilnehmenden gezielt die Argumentation auf Chinesisch. 

Während der freien Zeit am Abend und am Wochenende gibt es in Taipeh und Umgebung viele Möglichkeiten, Chinesisch auch im Alltag anzuwenden. Ein besonderes Highlight für die Kursgruppe: der Besuch des Wistaria Tea House. In den 1980er Jahren war es Treffpunkt für politische Dissidenten, die für ein demokratisches Taiwan kämpften. Seither ist das im japanischen Stil aus Holz erbaute Teehaus ein beliebter Treffpunkt für Literaten, Künstler und Akademiker.

Sprachliche Fortschritte auch auf hohem Niveau möglich

Beide Kursleiter ziehen nach ihrer Rückkehr ein positives Fazit: 

„Wenn intensives sprachliches Training Hand in Hand geht mit direkten Begegnungen und kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Einsichten vor Ort, kann viel erreicht werden“, sagt Leo Weschmann. „Nach zwei Kurswochen in Riga agieren alle Teilnehmenden deutlich verbessert, souverän und auf hohem sprachlichen Niveau in den verschiedenen Themenbereichen.“

Auch Tobias Wilke zeigt sich rundum zufrieden: „Die intensiven und anspruchsvollen Debatten - sowohl der Teilnehmenden untereinander als auch mit den Gesprächspartnern vor Ort - haben zu einem deutlich sichtbaren Effekt hinsichtlich des Ausdrucksvermögens und dem sicheren Umgang mit dem Chinesischen geführt.“   

Sicher ist: Wenn Diplomatie einen Beitrag zur Lösung internationale Konflikte leisten kann und soll, dann sind Sprachkenntnisse auf hohem Niveau und ein tiefes Verständnis der kulturellen und politischen Rahmenbedingungen zentrale Voraussetzungen dafür.