Sprichwörter des Winters

Grafik: iStock (Daniel Rodríguez Quintana)


Japan
Shiwasu

Und schon ist es wieder Dezember… wie die Zeit fliegt! Das japanische Wort für Dezember heißt juunigatsu十二月. Im Japanischen werden die Monate einfach von eins bis zwölf durchnummeriert. An die Zahl wird dann das Zeichen für Monat bzw. Mond 月mit der Lesung gatsu angehängt. Neben den modernen Begriffen für die Monate gibt es noch traditionelle literarische Bezeichnungen, in etwa vergleichbar mit den deutschen Begriffen wie „Wandelmonat“ oder „Wonnemonat“. Es handelt sich dabei im Japanischen um sehr alte Bezeichnungen, die zumeist die landwirtschaftliche Bedeutung der Monate zum Ausdruck bringen, wie zum Beispiel shimotsuki 霜月, der „Frostmonat“ für den November. Erst vor den Meiji-Reformen (19. Jh.) wurden die alten Bezeichnungen zugunsten einer einfachen Zählung aufgegeben.
Von diesen zwölf literarischen Monatsbezeichnungen werden der März und der Mai (yayoi und satsuki) heute gern als Frauennamen verwendet und der Dezember shiwasu findet noch häufig in Liedern und Gedichten Verwendung. Die zugrundeliegende Bedeutung der beiden Schriftzeichen für shiwasu  師走 lautet „Lehrer, Meister“ und „rennen“. Diese Zeichenkombination wird gern so gedeutet, dass schon im alten Japan wegen der Vorbereitungen für das neue Jahr sogar die Gelehrten und Mönche, denen sonst eher eine phlegmatische Art nachgesagt wird, sehr beschäftigt waren und umhereilten. Bis heute hat sich offensichtlich nichts daran geändert, dass die Zeit vor dem Jahreswechsel eine sehr hektische Zeit ist  – weder in Japan noch in Deutschland. Vielleicht bringt uns dieses moderne Haiku ein wenig Entschleunigung und Besinnlichkeit: 

Tanne abgeholzt,                   樅伐られ        Momi kirare  
liegt im Dezember-Regen,     師走の雨に     shiwasu no ame ni
wird ein Lichterbaum.            聖樹へと        seiju e to    


Arabischer Raum
Monatsnamen? Reichlich!

An Monatsnamen hat die Arabische Welt wahrlich eine reiche Auswahl zu bieten. Fragt man in der Vorweihnachtszeit einen Syrer, Iraker, Libanesen oder Palästinenser, in welchem Monat wir gerade sind, wird er ihn „Kanun al-awwal“ nennen. Für einen  Ägypter dagegen ist es der „Disambar (December)“, ein koptischer Ägypter wird sich zudem noch im Adventsmonat „Kiyahk“ fühlen.
Geht in der östlichen arabischen Welt die Reihe der Monate auf die Aramäer zurück, so ist es in Ägypten die ursprüngliche koptische Bevölkerung, deren landwirtschaftliche Erfahrung sich nicht zuletzt in Sprichwörtern zu Monatsnamen widerspiegelt:
برمهات – روح الغيط وهات „Baramhat – sieh, was das Feld zu bieten hat!“
بَشنس -  يكنس الغيط كنس „Baschons – der fegt das Feld leer, der kanns“.
Daneben gibt es auch noch den islamischen Kalender, der sich nach dem Mond richtet. Der islamische Kalender verwendet als Ausgangspunkt die „Hidjra“ (Auswanderung des Propheten Mohammad von Mekka nach Medina im Jahr 622). Da eine Mondphase 10 oder 11 Tage kürzer als ein Monat im gregorianischen Sonnenkalender ist, verschieben sich die Monate im Laufe der Jahre. So fängt der Ramadan zum Beispiel in jedem Jahr 10 bis 11 Tage früher an. Zeitungen führen zumindest in der Kopfzeile meistens beide Kalenderdaten an.
Möchten Sie einmal ein Datum von der einen in die andere Richtung umrechnen, können Sie dazu z.B. einen Hijri-Converter benutzen, der ein Datum der islamischen Zeitrechnung (hidjri) einem Anno-Domini-Datum (miladi) gegenüber stellt. Und zu jemandem, dem man es partout nicht recht machen kann, sagt man in Anlehnung an die islamischen Monate: „Dem gefällt weder das Unmögliche noch das Fasten im Monat Radjab“. 


China
Gesprächssituation und Bildungsstand entscheidet

In der geschriebenen und gesprochenen chinesischen Sprache finden sich feststehende Redewendungen, Sprichwörter, literarische Zitate, volkstümliche Redensarten, Bauernweis­heiten usw. in unendlicher Fülle. In diesen Sprichwörtern, die meist in alter Sprache formu­liert sind, präsentieren die Chine­sen kurze, griffige und inhalts­schwere Sinnesprüche, die einen Gedanken, ein Argument, eine Er­mah­nung, eine Ermunterung in denk­bar knapper Form zu­sam­menfassen und alle am Gespräch Beteiligten in eine gemein­same kulturelle und argumen­tative Matrix einbinden, wie wir dies in diesem Ausmaß in den euro­päischen Sprachen nicht –mehr- kennen.
Die Zahl der chinesischen Sprichwörter bzw. sprichwörtlichen Redensarten oder Volksweisheiten kann man kaum beziffern, ein Standard-Repertoire lässt sich ebenfalls nicht eindeutig definieren. Letzten Endes entscheidet über die Verwendung der Sprichwörter der thematische Zusammenhang, die Gesprächssituation, sicherlich auch die Stimmungslage des Sprechers, doch vor allem der Bildungsstand der Gesprächspartner. Sprichwörtliche Redensarten mit einem Bezug zu den vier Jahreszeiten sind im Chinesischen nicht ganz so häufig wie man vielleicht erwarten könnte. Das chinesische Sprichwort „一 年 之 计 在 于 春” /„ yī nián zhī jì zài yú chūn“ bedeutet wörtlich übersetzt „Die Planung für das ganze Jahr [muß] im Frühling erfolgen“ und ist eine Aufforderung bzw. Ermahnung, möglichst frühzeitig zu planen. Denn eine frühzeitige Planung sei der Schlüssel zum Erfolg. Die im Vergleich zu den anderen Jahreszeiten relative Häufigkeit von Rede­wendungen, die sich auf den Frühling be­ziehen, hängt sicherlich unter anderem damit zusam­men, dass das heu­te so genannte Frühlingsfest (Chūnjié 春节 ) im traditionellen Kalender Chi­nas den Jah­res­anfang markiert: ein festlicher Anlass, der von vielen Glückwünschen und guten Vorsätzen be­gleitet wird. Im Jahr 2016 wird das chinesische Frühlings­fest übrigens auf den 8. Fe­bru­ar fallen.

 

Russland: Im Winter ist der Pelzmantel kein Scherz

Apropos Winter: Der strenge russische Winter spiegelt sich in zahlreichen Sprichwörtern und Redensarten wider – garniert mit einer Portion Humor, guten Ratschlägen und Vorhersagen: „У февраля два друга — метель и вьюга.“ („Der April hat zwei Freunde – Schneegestöber und Schneesturm.“), „В зимний холод всякий молод.“ („Bei winterlicher Kälte ist jeder jung.“), „Не страшен мороз, когда тепло укрыт нос.“ („Der Frost ist nicht schlimm, wenn die Nase warm bedeckt ist.“), „Зимою шубка не шутка.“ („Im Winter ist der Pelzmantel kein Scherz.“) und „Зима без снега — лето без хлеба.“ ( „Ist der Winter ohne Schnee, ist der Sommer ohne Brot(getreide).“). Alexander Puschkin (1799 – 1837) schreibt von der Schönheit des Wintermorgens: „Мороз и солнце; день чудесный!“ ( „Frost und Sonne; ein wunderbarer Tag!“) und Boris Pasternak über russische Winternächte: „Мело, мело по всей земле / Во все пределы. / Свеча горела на столе, / Свеча горела.“ (“Schneesturm fegte durch die Welt, / Kein Ende kannte, / Doch meine Kerze brannte hell, / Die Kerze brannte.“).
Die Redensarten und Sprichwörter zum Frühling drücken meistens die Freude über das Ende des Winters, das Wiedererwachen der Natur und Wetterregeln für die kommende Saat- und Erntezeit aus: „Май холодный – год не голодный.“ („Ist der Mai kalt, wird es kein Hungerjahr.“), „Кто весною потрудится, тот осенью повеселится.“ („Wer im Frühjahr schuftet, der kommt im Herbst auf seine Kosten.“), „Март — с водой, апрель — с травой, май — с цветами.“ („Der März – mit Wasser, der April – mit Gras, der Mai – mit Blumen.“). Das Bild des Widerstreits von Winter und Frühling findet sich auch in der russischen Dichtung, so z.B. in dem Gedicht von Fjodor Tjutschew aus dem Jahr 1836: „Зима недаром злится, / Прошла её пора – / Весна в окно стучится / И гонит со двора.“ („Der Winter zürnt nicht grundlos, / Denn seine Zeit ist aus – / Der Frühling klopft ans Fenster, / Treibt ihn zum Hof hinaus.“).
Aber auch in zeitgenössischer Rockmusik und Filmliedern werden die Jahreszeiten besungen, z.B. in Lieder der Rockgruppe „ДДТ“ (DDT) „Осень“ ( „Herbst“): „Что такое осень - это небо, / Плачущее небо …..“ („Was ist der Herbst – das ist der Himmel, / Der weinende Himmel ….“). Auch der Soundtrack des Films „Чародеи“ („Zauberer“) greift diese Thematik auf: „Три белых коня“ („Drei weiße Pferde“): „А за городом зима, зима, зима. // И уносят меня, и уносят меня / В звенящую снежную даль / Три белых коня, эх, три белых коня – / Декабрь, январь и февраль.“ („Und auf dem Lande ist es Winter, Winter, Winter // Und mich tragen fort, und mich tragen fort / In die klirrende verschneite Ferne / Drei weiße Pferde, ach, drei weiße Pferde - / Dezember, Januar und Februar“).