Zahlen: Glücksbringer oder Bringer des Unglücks

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass es in vielen Hochhäusern keinen 13. Stock gibt? Oder dass  manche Fluggesellschaften auf die Sitzreihe 13 verzichten? In vielen Kulturen haben Zahlen eine abergläubische Bedeutung, die sich sogar auf den Alltag auswirken. In unserem Kulturkreis ist es die 13, die Negatives mit sich bringt. Aber welchen Zahlen wird in China, Japan, Russland oder im arabischen Raum eine besondere Bedeutung zugeschrieben?

 

Khamsa und 1001 Nacht
Arabischer Raum

An den Zahlen 5,40, 99 und 1001 kommt man in der arabischen Kultur nicht vorbei. 5 Finger hat die Hand, die man als Bild oder Schmuckstück zum Abwehren des bösen Blicks sieht. In europäischen Sprachen oft als Hand Fatimas bezeichnet, heißt sie auf Arabisch einfach „khamsa“, das arabische Wort für Fünf. 40 Tage nach der Beerdigung kommt man zusammen, um eines Toten zu gedenken. 99 Namen hat Gott, sie alle bezeichnen Eigenschaften Gottes und viele von ihnen werden als Namen verwendet. 1001 Nacht, jene berühmte Sammlung von Märchen, hat die Begeisterung für den Orient nach Europa gebracht und diente mit ihrer verflochtenen Handlungsstruktur so manchem Schriftsteller als Inspiration.

Im Alltag sieht sich der Leser von arabischen Zahlen mit ziemlich nüchternen Herausforderungen konfrontiert. Die sogenannten arabischen Zahlen (0 1 2 3 4 5 6 7 8 9) heißen eigentlich indisch-arabische Zahlen. Sie stellen eine europäisierte Form der der ursprünglich indischen Zahlen dar und werden von Marokko bis Libyen verwendet. Im Osten der arabischen Welt verwendet man nach wie vor die sogenannten indischen Zahlen. Geschrieben werden diese übrigens entgegen der arabischen Schreibrichtung von links nach rechts. Schreiben Sie also etwas auf Arabisch und fügen Zahlen ein, ändert sich plötzlich die Schreibrichtung, was vor allem beim Einfügen von Kommas, Punkten oder Lücken in eine Zahl gelegentlich dazu zwingt, etwas Denksport zu betreiben, um die Zahlen tatsächlich in gewünschter Richtung und Reihenfolge auf den Bildschirm zu bringen. Klar, oder?

A7mad und 3Umar?!
Auf Websites, Plakaten, in sozialen Medien und in Kurznachrichten finden sich heute häufig arabische Zahlen  in mitten eines Namens oder Wortes. Sie stehen stellvertretend für einen arabischen Buchstaben, den es im lateinischen Alphabet nicht gibt. Oft ahmen diese Zahlen in ihrer Form den arabischen Buchstaben nach wie z.B. die 7 ein  ح , ein stark gehauchtes ha, oder die 3 ein  ع, einen tief angesetzten Kehllaut.

Unglücksbote Vier
China, Japan und Korea

Auch in China gibt es den Versuch, Zahlen symbolisch zu deuten, z.B. im Zusammenhang mit dem ältesten chinesischen Klassiker, dem Buch der Wandlungen (Yijing, veraltet: I Ging), dessen äl­tester Teil im 2. Jh. v.u.Z. aufgeschrieben wurde. Mehr noch als die Zahlensymbolik steht aber hier die Symbolik der chinesischen Schriftzeichen im Mittelpunkt des Interesses. Da die Interpretation der Klassiker nahezu vollständig den Gelehrten überlassen wird, spielt Zahlen­symbolik im westlichen Sinne im heutigen China keine Rolle. Davon ausgenommen ist die allgemeine Ansicht, gerade Zahlen, also „Yang-Zahlen“, seien glückversprechender als un­gerade „Yin-Zahlen“.

Die meisten Chinesen orientieren sich heute eher am Klang einer Zahl als an deren möglicher Symbolik. Die Zahl vier gilt deshalb allgemein – nicht nur in China, sondern auch in Japan und Korea – als Unglückszahl, da die Aussprache sì für Vier ähnlich klingt wie sǐ für „sterben“. Über den Tod wird nicht gesprochen, es heißt eher, jemand sei „gegangen“ (qù) als „gestorben“, so dass auch die Zahl „7“ , gesprochen qī, auf­grund des in manchen Dialektregionen ähnlichen Klangs als unheilverheißend gilt.

Die Zahl Vier wird vermieden, wo es geht, z.B. gibt es zumeist weder Hotelzimmer mit der Nummer Vier, noch eine vierte Etage im Kranken­haus, geschweige denn Betten mit den Nummern „4“ oder „44“. Manche empfinden nicht nur die einzelne Vier als bedrohlich, sondern sie fürchten sich fast noch mehr vor Zahlenkombinationen wie “ 514“, gelesen wŭ yāo sì, welches ähnlich klingt wie wǒ yào sǐ und das bedeutet „ich will / werde sterben“. Auch die „14“ allein, also „werde sterben“  ist dann tabuisiert. Sicherheitshalber sollte deshalb bei wichtigen Terminen im Kontakt mit Chinesen die Zahl Vier und ihre Kombinationen vermieden werden. Das gilt für Datum, Zimmernummer, Gäste­zahl u.v.m.

Im letzten Jahrzehnt ist in China und Japan ein enormes Spektrum an Kürzeln in der Chatsprache entstanden, in der u.a. auch Zahlenhomophone für Kurzmitteilungen ohne Rücksicht auf die alten Tabus ver­wendet werden. So gilt beispielsweise die Zahlenkombination „1314“, gelesen yī  sān yī sì allgemein als Ver­sprechen für eine lebenslange Beziehung (yī shēng yī sǐ), die Zahlen-Buchstabenkombination „3Q“ (lies: sān kyu) bedeutet „Thank you“ und die sonst glückverheißende „8“ (gelesen bā, verstanden für fā = Reichtum erwerben) steht als „88“ für die Abschieds­floskel „bye bye“! Im japanischen Netzjargon hingegen bedeutet eine Aneinanderreihung von mehreren Achten (z.B. 8888888), dass man jemandem applaudiert, da die Zahl 8 hachi ähnlich klingt wie das lautmalerische Wort für das Klatsch-Geräusch pachi.

Des Teufels Dutzend
Russland

Wenn Sie in Russland auf die Einlösung eines Versprechens lange warten, wird man Sie mit der Redewendung «Обещаного три года ждут» («Auf das Versprochene muss man drei Jahre warten») vertrösten. Und wenn Sie zu einer geselligen Runde verspätet erscheinen, müssen Sie sich von den bereits munter Feiernden sagen lassen: «Семеро одного не ждут!» («Sieben warten nicht auf einen!») – Wie in anderen Ländern sind auch in Russland Sprache und Kultur von einer besonderen Zahlensymbolik geprägt. Am häufigsten begegnet man hier den Zahlen Drei und Sieben. Die Symbolik der Zahl Drei beherrscht schon die russische Volksdichtung: Immer sind drei Wege zu beschreiten, drei Reiche zu erobern, drei Aufgaben zu lösen und natürlich sind es drei Söhne oder drei Töchter, die sich bewähren müssen. Eine geläufige russische Redensart besagt: „Бог любит троицу» («Gott liebt die Dreifaltigkeit»). Die Dreier-Konstellationen beherrschen verschiedene Bereiche des russischen Lebens vom religiösen bis zum alltäglichen: Man bekreuzigt sich dreimal vor der Ikone, man küsst sich dreimal bei der Begrüßung. Und schließlich ein ganz profanes Beispiel: Wie wird eine Flasche Wodka stilecht und korrekt aufgeteilt? Selbstverständlich «на троих», „durch drei“. Man denke auch an die Trojka, die für den russischen Schriftsteller Gogol das Sinnbild Russlands ist. Kurzum – der Zahl Drei scheint in Russland die Vorstellung von Vollständigkeit, Abgeschlossenheit, Vollendung anzuhaften.

Ebenso beliebt ist die Zahl Sieben. Sie kommt in unzähligen Sprichwörtern und Redewendungen vor: Über eine weite Entfernung sagt man in Russland – «За семью морями» („Hinter sieben Meeren“). Wenn man hart gearbeitet hat – «Семь потов сошло» („Siebenmal in Schweiß gebadet“). Von einer wirksamen Arznei – „лук от семи недуг“ („Zwiebel gegen sieben Krankheiten), von einer weitläufigen Verwandtschaft – „седьмая вода на киселе“ („siebenfach verdünntes Kompottwasser“), von einer großen, kinderreichen Familie – „семеро с ложкой, один с сошкой“ („Sieben mit dem Löffel, einer mit dem Pflug“). – Die Zahl Sieben ist in russischen Redewendungen und Sprichwörtern also oft gleichbedeutend mit „viel“. Übrigens: Obwohl man den Russen nachsagt, sie seien besonders abergläubisch, lassen sie sich von den Zahlen allerdings weder einschüchtern noch ermutigen. Mit zwei Ausnahmen: der Zahl 13, die umgangssprachlich „чёртова дюжина», „Teufels Dutzend“ heißt, und der Vorgabe, dass man nur eine ungerade Zahl Blumen verschenken soll.